Hesselbach und der Odenwaldlimes
Hesselbach und der Odenwaldlimes 

Kastell Hesselbach 3: Innenbebauung

Zwei Mannschaftsbaracken

Die Innenbauten bestanden in allen kastellzeitlichen Perioden aus dem zentralen Stabsgebäude (Principia), vier Mannschaftsbaracken mit den Stuben (Contubernia), der Kommandeurswohnung (Praetorium) sowie Magazinen und Ställen. Die Existenz der Principia macht deutlich, dass hier ein taktisch selbständiger Verband stationiert war, ein Numerus mit einer Besatzungsstärke von ungefähr 160 Mann. In der Praetentura, dem vorderen Lagerbereich, waren Stallungen und Magazine untergebracht. Das Zentrum wurde, wie bei römischen Militärlagern üblich, von den Principia beherrscht. In der Retentura, dem rückwärtigen Lagerteil, befanden sich unmittelbar hinter den Principia das Praetorium und − die Principia flankierend − rechts und links jeweils zwei Mannschaftsbaracken. Alle Bauten bestanden aus Holz, wodurch sie nur noch anhand der Bodenverfärbung ihrer Pfostengräben und -löcher identifizierbar sind, ein Umstand, mit dem die frühen Ausgräber noch nicht hinlänglich vertraut waren, so dass mit den grabungstechnischen Methoden jener Zeit kaum Befunde der Innenbebauung erfasst werden konnten.

Periode 1

Die Principia, das Stabs- und Verwaltungsgebäude (in Publikationen über Hesselbach auch als „Gebäude 5“ bezeichnet) bedeckten in dieser Periode einschließlich der Vorhalle eine Fläche von etwa 10,5 Meter/10,8 Meter mal 18,0 Meter/18,2 Meter, insgesamt also etwas weniger als 200 Quadratmeter. Eine ungenaue Bauausführung sowie unklare und zum Teil gestörte Befunde erschweren jedoch die Zuweisung wirklich exakter Bemaßungen. Möglicherweise war der Bau ursprünglich auf eine Größe von 36 mal 45 römische Fuß konzipiert worden. Man betrat die Principia durch eine etwa 4,2 m/4,4 m mal 10,7 m große, offene Vorhalle. Diese Halle überdeckte die Via principalis (Lagerhauptstraße, welche die beiden seitlichen Lagertore miteinander verband) und öffnete sich mit ihrer Front zur Via praetoria (vordere Lagerhauptstraße) und zur Porta praetoria (Vorderes Lagertor, Haupttor) hin. Neben den Principia des Kastells Künzing gehört die Kommandantur von Hesselbach zu den ältesten Stabsgebäuden mit Vorhalle. An die Vorhalle schloss sich ein seitlich von zwei Portiken gesäumter Hof an, der zu einer Querhalle (Basilica) überleitete. Die Querhalle (und damit der gesamte Gebäudekomplex) wurde an ihrer Rückseite von einem aus drei Räumen bestehenden Gebäude abgeschlossen. Der mittlere, etwas größere dieser Räume war das „Fahnenheiligtum“ (Aedes principiorum oder Sacellum), die beiden anderen dürften als Verwaltungsräume gedient haben.[1]

 

Hinter den Principia, in der Mitte der Retentura (rückwärtiger Lagerbereich), befand sich das Wohngebäude des Praepositus Numeri, des Kommandanten der Garnison („Gebäude 6“). Seine Außenmaße betrugen rund 10,5 mal 15,0 Meter (gut 150 Quadratmeter), vermutlich war es mit einer Bemaßung von 35 mal 50 römischen Fuß angelegt worden. Mit seinem Eingang öffnete sich das Kommandantengebäude zu den Principia hin. Der Eingang führte möglicherweise in einen kreuzförmig angelegten Flur, in dessen Mitte sich eine Art Atrium oder eine Atrium-ähnliche Konstruktion mit Oberlicht befunden haben könnte. In diesem Falle hätten sich sechs etwa gleichgroße Zimmer und ein kleinerer Raum (vielleicht eine Latrine) in dem Gebäude befunden. Eine andere Interpretation der Befunde lässt aber auch einen lang gestreckten Mittelkorridor möglich erscheinen, der auf jeder Längsseite von vier separaten Räumen flankiert gewesen wäre und dessen Ende ein kleiner Raum gebildet haben könnte. Eine nachgewiesene Herdstelle belegt, dass in dem Gebäude zumindest einzelne Räume beheizbar waren.[2]

 

Principia und Kommandantenwohnhaus wurden von je zwei Mannschaftsbaracken („Gebäude 1 bis 4“) flankiert. Die insgesamt vier Baracken maßen jeweils etwa 34,6/34,8 mal 4,55 Meter (außen) und waren in neun etwa gleich große Räume von etwa 3,70 mal 4,15 Meter lichter Weite unterteilt, wodurch sich eine Nutzfläche von 15,5 Quadratmeter pro Raum ergab. Ein vergrößerter Raum oder ein Kopfbau für den Unteroffizier war nicht vorhanden. Eine Portikus konnte nicht nachgewiesen werden, ihre Existenz kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dietwulf Baatz ging in seinen Untersuchungen davon aus, dass die Contubernien jeweils mit vier bis fünf Soldaten belegt gewesen sein dürften, so dass, wenn ein Raum für den Unteroffizier abgezogen und die mögliche geringere Belegungsdichte einiger Räume, in denen Chargen untergebracht gewesen seien, berücksichtigt würde, von einer Barackenbelegung mit rund 32 Mann ausgegangen werden könne. Hierdurch ergäbe sich eine Barackenbelegung mit rund 128 Mannschaften, so dass einschließlich Unteroffizieren und Offizieren von einer Gesamtstärke von 130 bis 140 Mann ausgegangen werden könnte. Allerdings betonte Baatz den hypothetischen Charakter seiner Überlegungen, die lediglich eine ungefähre Vorstellung von der Stärke des Numeruskastells vermitteln sollten.[1]

 

In der Praetentura, dem vorderen Teil des Lagers, wurden insgesamt drei größere Bauten nachgewiesen. Die Interpretation der Befunde ist auf Grund der in diesem Bereich sehr starken Bodenerosion nicht gänzlich gesichert. Das „Gebäude 7“ im südöstlichen Bereich des Kastells wird als Speichergebäude oder Magazin, möglicherweise einschließlich der in den Principia fehlenden Armamentaria (Waffenkammern) interpretiert. Die beiden 4,30 mal 10,60 Meter und 4,30 mal 13,50 Meter großen „Gebäude 8 und 9“ im Nordwesten des Lagers wurden mit einiger Wahrscheinlichkeit als Ställe angesprochen, davor befand sich möglicherweise eine Backofengruppe.[3]

 

Alle Gebäude der Periode 1 wurden in Holzbauweise errichtet. Reparaturen und Zerstörungen konnten an keiner Stelle nachgewiesen werden, die Bauten wurden offenbar planmäßig niedergelegt bevor sie baufällig wurden, um Platz für die Errichtung neuer Gebäude zu schaffen.[4]

Periode 2

Rekonstruktion Periode 2/2a

Die Struktur des Kastells in der Periode 2 entsprach in etwa der Gliederung der Periode 1. Auch die Bautechnik war weitestgehend identisch, es wurden jedoch kräftigere Holzpfosten als zuvor verwendet. Die Gebäude waren so lange in Gebrauch, bis sich die Notwendigkeit zu Reparaturmaßnahmen ergab. Die Phase der dann einsetzenden Instandsetzungsmaßnahmen wird als Periode 2a differenziert.

 

Der Grundriss der Principia (so genanntes „Gebäude 5“) ähnelte dem der Periode 1, jedoch ragte die Vorhalle seitlich über die beiden Fluchten des restlichen Gebäudekomplexes um jeweils etwas mehr als einen Meter hinaus. Die Halle besaß eine Breite von 6,3 bis 6,4 Meter, eine Länge von etwa 14,3 Metern, war in offener Bauweise konstruiert und überdeckte die gesamte Breite der Via Principalis. Von der Vorhalle aus gelangte man in einen kleinen, 3,8 Meter breiten und 7,7 Meter langen Hof, der an seinen Schmalseiten von 1,8 Meter tiefen Portiken gesäumt war. An den Hof schloss sich eine Querhalle mit einer lichten Breite von 6,9 Metern und einer Länge von 11,5 Metern an. In den unterschiedlichen Proportionen zwischen dem Hof mit seinen Portiken und der Querhalle besteht der augenfälligste Unterschied zum Grundriss der Periode 1. Der Platz für den Hof reduzierte sich zugunsten des Raums für die Halle. Eine Besonderheit innerhalb der Querhalle war der Nachweis einer knapp 1,50 Meter durchmessenden Zisterne mit kanalisiertem Abfluss zur Rückseite des Kastells hin. Vermutlich wurde das Wasser bei kultischen Handlungen benötigt, die in den Principia durchgeführt wurden. Auf die Querhalle folgte, den Gebäudekomplex an seiner Rückseite abschließend, wie schon in der Periode 1 eine dreiräumige Zimmerflucht. Der mittlere, etwas größere Raum, war das Fahnenheiligtum (Aedes oder Sacellum), das im Gegensatz zur Periode 1 an der Rückwand der Principia über die Flucht des Gebäudes leicht nach außen vorkragte. Dieser Vorsprung wurde in der (Reparatur-)Periode 2a zurückgenommen, so dass die Rückfront des Gebäudekomplexes wieder eine einheitliche Flucht bildete. Die zuweilen bei Fahnenheiligtümern vorkommende Unterkellerung konnte in Hesselbach für die zweite Bauphase ebenso wenig wie für die erste festgestellt werden und erscheint überdies aufgrund der Bodenverhältnisse (Staunässe) unwahrscheinlich.[5]

 

Das „Gebäude 6“, das vermutliche Wohnhaus des Praepositus Numeri, besaß Außenmaße von rund 11,7 mal 10,8 Metern. Es war ein Korridorhaus mit einem Mittelflur, der von je drei Räumen gesäumt war. Alle sechs Räume waren mit ungefähr 15 Quadratmeter etwa gleich groß, wenigstens vier von ihnen waren mit Herdstellen beheizbar. Das Gebäude war mit seinem Haupteingang auf die Principia ausgerichtet. Ein zweiter Eingang auf der Gegenseite kann nicht ausgeschlossen werden, jedoch war dieser Bereich durch eine neuzeitliche Grube gestört. Möglicherweise könnte sich an diesem Ende des Korridors eine Latrine befunden haben[6].

 

Wie in der Periode 1 wurde das Ensemble aus Principia und Kommandantur von zwei Mannschaftsbaracken („Gebäude 1 bis 4“) auf jeder Seite flankiert. Im Gegensatz zur frühen Bauphase verfügten diese sowohl über Kopfbauten als auch über Portiken.

In einem besonders guten Erhaltungszustand befand sich die „Baracke 4“. Sie erstreckte sich bei einer Breite (mit Portikus) zwischen 7,30 und 7,45 Metern über eine Länge von 34,8 Meter und setzte sich aus einer Flucht von sieben Contubernien mit vorgelagerter Portikus sowie einem Kopfbau für den Centurio oder/und die Unteroffiziere zusammen. Die lichte Breite der Portikus bewegte sich zwischen 1,6 und 1,7 Meter. Auf die sieben Contubernien entfielen 27,4 Meter der Gesamtlänge, jedes einzelne Contubernium dürfte eine Nutzfläche von etwas mehr als 19 Quadratmetern besessen haben. Jedes Contubernium bestand aus einem einzelnen, nicht weiter unterteilten Raum mit einer Herdstelle, die sich ungefähr mittig an der Zwischenwand zu einem Nachbarcontubernium befand. Die Herdstellen besaßen in etwa das Aussehen noch heute gebräuchlicher offener Kamine: hinter einer feuerfesten Bodenplatte befand sich ein Rauchabzug und oberhalb der Feuerstelle ein Rauchfang. Die Herdstellen dienten der Zubereitung der Mahlzeiten und als Heizung in den kälteren Jahreszeiten. Der Kopfbau der „Baracke 4“ besaß einen annähernd quadratischen Grundriss von etwa 7,4 Meter Seitenlänge, woraus sich eine Gesamtwohnfläche von 53 Quadratmeter ergibt. Er bestand (in der Fortsetzung der Portikus) aus einem Korridor sowie zwei Räumen, von denen jeder mit einer Heizstelle versehen war. Jeweils zwei Baracken (1 und 2 sowie 3 und 4) bildeten ein Barackenpaar, in dessen Mitte sich ein mit Schotter befestigter Weg befand. Die einzelnen Baracken unterschieden sich in einigen Merkmalen hinsichtlich Form und Größe voneinander:[7]

Baracke Länge Breite Kopfbau Contubernien,
Anzahl
Contubernium,
Größe
1 35,4 m 6,45 m 59 m² 6 18,0 m²
2 35,4 m 7,20 m 97 m² 5 20,8 m²
3 35,0 m 5,25 m kein Kopfbau 9 12,5 m²
4 34,8 m 7,37 m 53 m² 7 19,4 m²

Periode 2a (Reparaturphase)

Die Periode 2a bezeichnet keine eigenständige Bauphase. Unter diesem Begriff wurden vielmehr alle Reparaturmaßnahmen der Periode 2 ungeachtet ihrer konkreten Zeitstellung zusammengefasst. Keine dieser Maßnahmen führte zu einer fundamentalen Änderung der Grundrisse. So wurden teilweise einzelne Pfosten, im Kopfbau der Baracke 4 ein vollständiger Pfostengraben erneuert, in mehreren Contubernien wurden die Herdstellen verlegt. An den Principia bestand die augenfälligste Veränderung in der Erneuerung der Rückwand des Fahnenheiligtums, die nach der Renovierung nicht mehr aus der rückwärtigen Gebäudeflucht vorsprang.[8]

Periode 3 (Nachkastellzeit)

Die Befunde der Periode 3 waren bereits nachkastellzeitlich, die ihnen zugrunde liegende ehemalige Bebauung entstand also erst nach der Vorverlegung der römischen Truppen auf die Linie des so genannten „Vorderen Limes“ im Bereich Miltenberg-Walldürn-Osterburken und war wahrscheinlich rein ziviler Natur. In dieser Periode wurden entweder keine separaten Bauten errichtet, oder die Bauwerke bestanden aus leichten Holzbauten, deren Spuren in dem später abgetragenen und/oder erodierten Boden nicht mehr auszumachen waren. Möglicherweise wurden auch die alten Kastellbauten zum Teil weiter genutzt, was insbesondere für die „Gebäude 5 und 6“ sowie eventuell für das „Gebäude 10“ nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheint. Die Ausgrabungsbefunde der Periode 3 bestanden ausschließlich aus den Resten von Siedlungsgruben. In einer davon wurden die Reste eines Ofens festgestellt, der mit Sicherheit als Rennofen[29] zur Eisenverhüttung identifiziert werden konnte. Die Befundsituation ließ es als gesichert erscheinen, dass dieser Ofen nur einer von mehreren gewesen ist, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Nutzung des aufgelassenen Kastellplatzes durch einen eisenverhüttenden Betrieb ausgegangen werden kann. Die Rohstoffe zur Eisengewinnung, namentlich Eisenerz und Holz(-kohle), konnten in der unmittelbaren oder relativen Nähe gewonnen werden. An Holz hatte es in den auch in antiker Zeit dicht bewaldeten Gebieten des Odenwalds keinen Mangel und Eisenerz konnte möglicherweise in Form des so genannten Raseneisenerzes verwendet werden.[30][31] Diese Art der Eisengewinnung ist für die nachrömische Zeit auch an anderen Plätzen des Odenwaldes nachgewiesen. Darunter befindet sich eine Stelle in nur einem Kilometer nördlicher Entfernung von Hesselbach.[32] Schon nach einigen wenigen Jahren wurde der Hüttenbetrieb wieder eingestellt, vermutlich mangels Rentabilität infolge der geringen Ergiebigkeit lokaler Erzvorkommen.[33]

Belege und Anmerkungen

Belege

[1] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 32−35.

[2] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 31−32.

[3] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 35−36.

[4] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 37.

[5] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 46−50.

[6] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 45−46.

[7] Vereinfacht dargestellt nach Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 43.

[8] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 62f.