Hesselbach und der Odenwaldlimes
Hesselbach und der Odenwaldlimes 

Kastell Hesselbach 2: Umwehrungen

Die Form und der Umfang (und somit die eingeschlossene Fläche) der Umwehrungsanlagen des Kastells Hesselbach änderten sich während der verschiedenen Bauphasen nicht oder nur in Details. Die verschiedenen Mauern lagen nahezu übereinander. Das gesamte durch die Wehranlagen definierte Kastellgelände nahm zu allen Zeiten eine Fläche von rund 6.000 Quadratmetern ein. Ebenfalls während der gesamten Zeit seiner Existenz war das Vordertor (Porta Praetoria) der Fortifikation zum Limes hin ausgerichtet, der das Kastell in nur etwa 150 Meter Entfernung östlich passierte. Auffällig ist, dass die Porta Principalis Dextra (rechtes Seitentor) und nicht die Porta Praetoria die größte Durchfahrtbreite besaß, was dafür spricht, dass dieses Seitentor die Funktion eines „Haupttores“ übernahm. Die Konturen der Kastellumwehrung sind im größtenteils nicht überbauten Wiesengelände noch heute gut zu erkennen, die moderne Wegführung läuft außen um das Kastell herum. Eine Schautafel mit Erläuterungen ist im Norden des Kastells zu finden.[1]

Umwehrung A

Die älteste „Umwehrung A“ entstand zusammen mit dem Kastell in trajanischer Zeit[Anm. 1] und war gänzlich in Holz-Erde-Bauweise ausgeführt. Die hölzerne Palisade wurde nach hinten, also zum Lagerinneren hin, mit einem durch Holzpfähle verstärkten Erdwall stabilisiert, der gleichzeitig die Funktion hatte, einen einfachen Wehrgang zu tragen. Vor dieser Holz-Erde-Mauer befand sich – nach einer schmalen Berme – ein Spitzgraben in Form einer so genannten fossa Punica[2] („Punischer Graben“). Bei der fossa Punica war die dem Feind zugewandte Böschung des Grabens deutlich steiler eingetieft als die zum Lager hin weisende. In dieser frühen Phase besaß die Umwehrung nur drei Tore: neben der Porta Praetoria gab es eine Porta Principalis Dextra (rechtes Seitentor) und eine Porta Principalis Sinistra (linkes Seitentor). Die Porta Decumana (rückwärtiges Tor) fehlte und konnte auch nicht in Form einer reduzierten Schlupfpforte nachgewiesen werden, wie sie von der letzten Bauphase her bekannt ist. Die Tore waren von hölzernen Tortürmen flankiert, deren jeder Einzelne von sechs Pfosten getragen wurde. Alle Indizien sprechen für das Fehlen von Ecktürmen, jedoch können diese nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden.[3]

Umwehrung B

In hadrianischer Zeit, genauer zwischen 115 und 130, wurde die hölzerne Umwehrung durch eine zweischalige Trockenmauerkonstruktion ersetzt. Diese Konstruktion, die so genannte „Umwehrung B“, besaß eine Gesamtbreite von 5,00 Metern[Anm. 2] bis 6,90 Meter[Anm. 3]. Der Raum zwischen der bis zu 1,50 Meter breiten äußeren Mauerschale und der etwas schmaleren inneren Mauer war mit von Knüppelholzeinlagerungen durchsetzter Erde verfüllt. Die Mauerschalen waren aus unbehauenem lokalem Buntsandstein ausgeführt. Die Konstruktion trug einen möglicherweise mit Holzbohlen befestigten Wehrgang und auf der Feindseite eine aus Brettern oder Flechtwerk bestehende Brustwehr. Die in der Phase A angelegte fossa Punica diente weiterhin als Wehrgraben, war allerdings im Laufe der Jahre so weit zugeschwemmt, dass sie keine prägnante Spitze mehr besaß. Ebenfalls ohne Veränderung übernommen wurden die hölzernen Torbauten. Das Lager besaß weiterhin nur diese drei Tore, die in der späteren Bauphase festgestellte Schlupfpforte an der Dekumatfront konnte für diese Periode nicht festgestellt werden. In dem hierfür anzunehmenden Bereich wurde stattdessen ein Abwasserkanal angelegt, der eine in der Retentura (rückwärtiger Lagerteil) unmittelbar an der Umwehrung eingebaute Latrine entsorgte.[4]

Umwehrung C

Details der Wehrmauer

Zwischen 140 und 150 unserer Zeitrechnung wurde die Trockenmauer durch eine gemörtelte Mauer ersetzt. Die neue Wehrmauer orientierte sich am Verlauf der alten „Umwehrung C“, vor deren Außenmauer sie errichtet wurde. Nur an einzelnen Stellen wird die Front der älteren Mauer von der neuen Konstruktion überschnitten. Hinter der Mauer wurde ein Erdwall angeschüttet, der jedoch zum Lagerinneren hin nicht vollständig geböscht war, sondern die Innenschale der Trockenmauer als stützende Begrenzung nutzte. Das Fundament der Mauer war 80 Zentimeter eingetieft und besaß eine zwischen 1,0 und 1,2 Meter schwankende Breite, die Stärke des Aufgehenden betrug am Mauerfuß rund 95 Zentimeter. Als Baumaterial diente lokaler Buntsandstein, den die Erbauer mit Kalkmörtel vermauert hatten. Dieser Mörtel stammte aus nicht allzu weit entfernten Muschelkalkvorkommen im Odenwald. Die Steine auf der Innenseite waren klein und nur grob behauen, während die Quader der Außenseite größer und sehr sorgfältig ausgeführt worden waren. Oberhalb der Brustwehr war die Außenmauer vermutlich mit Zinnen besetzt. Der möglicherweise ursprünglich vorhandene, üblicherweise mit roten Scheinfugen übermalte weiße Außenverputz konnte nicht mehr festgestellt werden. Er ist wahrscheinlich in dem sauren Boden Hesselbachs vollständig erodiert, kann analog zu anderen Kastellen und Wachtürmen allerdings mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden.[5]

Im Zuge der Neuanlage der Mauer wurde auch der − inzwischen zumindest stellenweise zugeschwemmte − Verteidigungsgraben durch einen neuen ersetzt. Er war durch eine 60 bis 80 Zentimeter breite Berme von der Mauer abgesetzt und besaß bei einer Tiefe von rund 1,50 Metern eine Breite von etwa sechs Metern. Es ist anzunehmen, dass dieser Graben dementsprechend in einem Verhältnis von fünf römischen Fuß zu 20 römischen Fuß konzipiert worden.[6]

Rekonstruktion Porta Principalis Dextra Umwehrung C

Auch die Tore wurden von Grund auf neu errichtet. Zu den bisher vorhandenen drei großen Toranlagen kam eine kleine Schlupfpforte auf der Dekumatseite (Rückfront des Kastells) hinzu. Die großen Tore waren weiterhin von zwei Türmen flankiert, die vermutlich nicht nur mittels einfacher Wehrplattformen, sondern durch überdachte Torhäuser miteinander verbunden waren. Hierfür spricht der Umstand, dass sich nicht nur auf der Feindseite, sondern auch auf der Innenseite kräftige Torbögen befanden. Denn während solche Bögen an der Außenseite aus fortifikatorischen Gründen notwendig sein könnten, machen sie auf der Innenseite nur aus statischen Gründen Sinn.

Rekonstruktion eines Tores in der letzten Bauphase

Die lichte Durchfahrtsweite betrug bei der Porta Principalis Dextra 3,40 Meter, bei den beiden anderen Toren, der Porta Praetoria und der Porta Principalis Sinistra je drei Meter. Bei der neuen, rückwärtigen Schlupfpforte, die in dieser Form auch in den Kastellen Würzberg und Eulbach angetroffen wurde, handelt es sich um ein einfach gehaltenes Tor mit einem lichten Durchlass von nur 1,25 Meter, das möglicherweise durch einen Sperrbalken gesichert wurde. Vor der Pforte war der Grabenverlauf nicht unterbrochen, eine Pfostengrubeweist auf einen möglichen Holzsteg an dieser Stelle hin.

Auch in dieser Bauphase gab es keine Ecktürme. Die abgerundeten Ecken der Mauer waren jedoch an der Außenseite mit schwach vorspringenden Risaliten versehen. Diese nicht recht erklärbare Eigenart des Mauerbaus findet sich auch beim Kastell Oberscheidental.[7]



Belege und Anmerkungen

Belege

 

[1] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 13−27.

 

[2] Hyginus Gromaticus: Liber de munitionibus castrorum. Hrsg. und erklärt von Alfred von Domaszewski. Hirzel, Leipzig 1887, S. 49.

 

[3] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 13−15.

 

[4] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 15−19 und Tafel 4.

 

[5] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 19−21.

 

[6] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 21.

 

[7] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 21−27.

Anmerkungen

 

[Anm. 1] Die konventionelle Anfangsdatierung auf das Jahr 100 (+/-5) stützt sich auf die Ergebnisse der Ausgrabungen, die Dietwulf Baatz in den Jahren 1964 bis 1966 vornahm. Sie basiert im Wesentlichen auf der Auswertung der dabei gefundenen Sigillaten (vgl. den entsprechenden Abschnitt im Artikel und Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X, (Limesforschungen, Band 12), S. 85–96). In der jüngeren Literatur wird einer Anfangsdatierung des Kastells Hesselbach wie des gesamten Odenwaldlimes auf den Zeitraum 107/110 der Vorzug gegeben. Dieser Datierungsansatz stützt sich nicht auf neue Ausgrabungsbefunde, sondern auf eine statistische Neubewertung der Münzfunde aus allen Kastellen des Obergermanisch-rätischen Limes, die der Archäologe Klaus Kortüm 1998 erstmals vorgelegt hat und auf die sich inzwischen einige Autoren der jüngeren Literatur stützen. (Vgl. Klaus Kortüm: Zur Datierung der römischen Militäranlagen im obergermanisch-raetischen Limesgebiet. In: Saalburg-Jahrbuch 49, 1998, Zabern, Mainz, S. 5−65, und Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze. Beck, München 2006, ISBN 3-406-48018-7, S. 49–52 sowie S. 54f.)

 

[Anm. 2] An der Nordostseite.

 

[Anm. 3] An der Südwestseite.