Hesselbach und der Odenwaldlimes
Hesselbach und der Odenwaldlimes 

Kastell Hesselbach 1: Lage, Forschungsgeschichte, Bedeutung, Befundkorrelationen

Lage

Lageplan des Kastells Hesselbach zur Zeit der "Reichsgrabung" 1895/96

Das ehemalige Kastell Hesselbach liegt am nordöstlichen Ortsrand von Hesselbach auf einem als Weidefläche genutzten, nicht überbauten Gelände am östlichen Ortsrand, unweit der heutigen hessisch-bayrischen Landesgrenze. Vor seiner Prätorialfront (Vorderfront) und an den beiden Flanken verlaufen moderne Straßen, an die Dekumatseite (Rückfront des Kastells) schließt das Hof- und Weidegelände eines landwirtschaftlichen Betriebes an. Die Konturen der ehemaligen Kastellumwehrung zeichnen sich deutlich im Gelände ab.

 

Topographisch befindet sich das Kastell in 489 m ü. NHN auf dem Plateau eines Höhenrückens, der sich von der Mündung der Mümling bei Obernburg bis in die Gegend um Schloßau im SSO erstreckt. Das Plateau mit seinen nährstoffarmen Buntsandsteinverwitterungsböden in relativ rauhem Klima bot und bietet nicht gerade die besten Voraussetzungen für menschliche Ansiedlungen. Doch verläuft der Buntsandsteinrücken parallel zur Mümling auf relativ gleichmäßiger Höhe, weshalb er sich wahrscheinlich als Grenzlinie besonders anbot. Vorrömerzeitliche Funde fehlen in dieser Gegend und auch das römische Fundmaterial weist auf eine rein militärische, bestenfalls eine sehr kurzfristige zivile, nachkastellzeitliche Nutzung des Platzes hin.[1]

Forschungsgeschichte und Bedeutung

Johann Friedrich Knapp (1776-1848)

Das Kastell Hesselbach fand bereits bei Ernst Christian Hansselmann[2] 1768 eine kurze Erwähnung. Eine ausführlichere Beschreibung erfolgte ein halbes Jahrhundert später bei Johann Friedrich Knapp[3]. Von der hessischen Limeskommission[A 1][4] wurde der Kastellbereich vermutlich nur oberflächlich untersucht, die Identifikation der Befunde mit einem Kastell überhaupt in Frage gestellt, da lediglich an einer Stelle festes Mauerwerk nachgewiesen werden konnte. 1895 wurden die Ausgrabungen der Reichs-Limes-Kommission (RLK) unter der Leitung des Streckenkommissars Friedrich Kofler durchgeführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse fand bereits 1896 statt.[5]

 

Umfangreiche Untersuchungen mit modernen Methoden erfolgten schließlich von 1966 bis 1968 unter der wissenschaftlichen Leitung von Dietwulf Baatz durch das Saalburgmuseum. Diese Grabungen, sowie die hieraus resultierende Publikation[6] waren wegweisend für weitere Forschungen am Odenwaldlimes. Seit der Grabungskampagne der 1960er Jahre gilt das Kastell Hesselbach als das am besten erforschte Numeruskastell des Odenwaldlimes, vor allem, weil im Unterschied zu anderen Odenwaldkastellen die Innenbebauung umfassend erschlossen und dokumentiert werden konnte. Die Innenbebauung der anderen Numeruskastelle der Odenwaldlinie wird seither oft analog zu der des Kastells Hesselbach rekonstruiert.[6]



Befundkorrelationen

Befunde der Reichsgrabung 1895

Während sich die Ausgrabungen der Reichs-Limes-Kommission Ende des 19. Jahrhunderts in erster Linie der Kastellumwehrung gewidmet hatten (es war auch mit den feldarchäologischen Methoden jener Zeit noch gar nicht möglich, die komplexen und diffizilen Befunde der Innenstrukturen zu erfassen), lag der Schwerpunkt der Untersuchungen der 1960er Jahre auf der Erforschung des Lagerinneren. Bei beiden Befundkomplexen gelang es, mehrere Bauphasen voneinander zu differenzieren. Da kein gesicherter stratigraphischer Zusammenhang zwischen den Perioden der Umwehrung und den Phasen der Innenstrukturen hergestellt werden konnte, wurden unterschiedliche Bezeichnungen gewählt.[7] Es ist jedoch aufgrund der Befunde und der Verteilung des Fundmaterials erlaubt, Korrelationen zwischen diesen herzustellen[8].

Zeitliche Korrelationen zwischen den Bauphasen der Umwehrung

und denen der Innenstrukturen:[8]

von bis Umwehrung Innenbebauung
trajanisch 115-130 Umwehrung A Periode 1
115-130 um 145 Umwehrung B Periode 2
um 145 148−161 (154−161 ?) Umwehrung C Periode 2a
148−161 (154−161 ?)   spätestens 165 zum Teil zerstörte Umwehrung C  Periode 3 (nachkastellzeitlich)

-> Zurück zum Abschnitt "Kastell Hesselbach (ORL 50)"

-> Weiter mit dem Abschnitt "Kastell Hesselbach 2: Umwehrungen"

-> Weiter mit dem Abschnitt "Kastell Hesselbach 3: Innenbebauung"

-> Weiter mit dem Abschnitt "Kastell Hesselbach 4: Fundmaterial"

-> Weiter mit dem Abschnitt "Kastell Hesselbach 5: Limesverlauf bis zum Kleinkastell Zwing"

Belege und Anmerkungen

Belege

 

[ 1] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 9-12.

 

[ 2] Ernst Christian Hansselmann: Beweiß, wie weit der Römer Macht in den mit verschiedenen teutschen Völkern geführten Kriegen, auch in die nunmehrige Ost-Fränkische, sonderlich Hohenlohische, Lande eingedrungen. Messerer, Schwäbisch Hall, 1768, S. 234.

 

[ 3] Johann Friedrich Knapp: Römische Denkmale des Odenwaldes, insbesondere der Grafschaft Erbach und Herrschaft Breuberg. 1813, 2. Auflage 1814, 3. Auflage 1854.

 

[ 4] Jörg Scheuerbrandt et al.: Die Römer auf dem Gebiet des Neckar-Odenwald-Kreises. Grenzzone des Imperium Romanum. Herausgegeben vom Kreisarchiv des Neckar-Odenwald-Kreises. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2009, ISBN 978-3-89735-524-8 (Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises, 3), S. 12ff.

 

[ 5] Friedrich Kofler in der Reihe Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches (Hrsg. Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey): Abteilung B, Band 5, Kastell Nr. 50 (1896).

 

[ 6] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 9−114 sowie Tafeln 1−34.

 

[ 7] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 28.

 

[ 8] Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 66f.

 

Anmerkungen

 

[Anm. 1] Bereits vor der Konstituierung der Reichs-Limes-Kommission hatte es auf Länderebene Bemühungen gegeben, die römischen Relikte auf den jeweiligen Territorien zusammenhängend zu erfassen. So wurden 1877 im Königreich Württemberg sowie 1880 im Großherzogtum Hessen und im Großherzogtum Baden staatliche Limeskommissionen eingesetzt, die an mehreren Stellen erfolgreich die Verläufe des Limes nachweisen konnten.