Hesselbach und der Odenwaldlimes
Hesselbach und der Odenwaldlimes 

Kastell Würzberg 2: Limesverlauf

Der Limesverlauf zwischen den Kastellen Würzberg (ORL 49) und Hesselbach (ORL 59)

Vom Kastell Würzberg aus zieht der Limes weiter über einen von Nord nach Süd verlaufenden, bewaldeten Höhenrücken des Odenwaldes. Dabei fällt er allmählich von 525 auf 489 Höhenmeter ab. Bis zu den in den nördlichen Randbereichen von Hesselbach gelegenen Türmen sind alle Limesbauwerke mehr oder weniger gut sichtbar. Die zwischen den Kastellen gelegentlich in unmittelbarer Nähe der Wachtürme zu bemerkenden, wie der Limes in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Gräben mit wallartiger Erhebung stehen jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Limes, sondern gehören einer mittelalterlichen Landwehr an.

WP 10/26: "Im Sack"

Sichtbare Turmstelle[Anm. 1] mit einem Stein- und einem Holzturmhügel, die 1895 von Eduard Anthes[Anm. 2] untersucht worden ist.

Der Steinturm hatte einen quadratischen Grundriss von 5,40 m Seitenlänge, seine Mauerstärke betrug 95 cm. Der Holzturm befand sich in rund 25 m Entfernung.

Das Fundament des Holzturms bestand aus quadratisch angelegtem Trockenmauerwerk mit 5,20 m Seitenlänge, je drei Balkenschlitzen auf jeder Seite und Einkerbungen für Pfostensetzungen an jeder Ecke. Er war von einem 17 m bis 18 m durchmessenden Ringgraben umgeben, dessen Böschung an der Außenseite steiler ausgeführt worden war als an der Innenseite. 28,40 m östlich des Holzturms wurde die Turmstelle von der Limespalisade passiert.

Wp 10/27: "Im Gescheid''

Noch sichtbare Turmstelle[Anm. 3] aus einem Stein- und einem Holzturmhügel, die 1895 von Anthes und Wilhelm Soldan[Anm. 4] untersucht worden ist und die der Turmstelle Wp 10/26 sehr stark ähnelt.

Der Steinturm besaß einen quadratischen Grundriss von 5,20 m Seitenlänge und war zur Zeit der Ausgrabung bereits stark beschädigt. Etwa 24 m nördlich des Steinturms befand sich die Holzturmstelle.

Der Holzturm verfügte über das am besten erhaltene Trockenmauerwerk des gesamten Limesabschnitts, das bei seiner Ausgrabung noch bis zu einer Höhe von einem Meter erhalten war. Er hatte einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 5,20 m, besaß jeweils drei Balkenschlitze auf jeder Seite und 60 cm mal 60 cm große Falze zur Aufnahme der Eckpfosten. Der Turm war von einem Ringgraben mit 17,50 m Durchmesser und einer Tiefe von 1,40 m umgeben. Der Abstand der Limespalisade wurde mit 33,5 m gemessen, der Wert, der ohne ersichtlichen Grund deutlich von den durchschnittlichen Entfernungen abweicht, erscheint jedoch nicht ganz gesichert. [2]

Wp 10/28: "Im oberen Seeschlag"

Sichtbare Turmstelle[Anm. 5] [3] eines Holz- und eines Steinturms, die 1895 von Eduard Anthes untersucht worden ist.

Der Steinturm war zum Zeitpunkt der Untersuchungen, vermutlich durch neuzeitliche Straßenbauarbeiten, schon weitgehend zerstört. Eine Singularität an dieser Limesstrecke stellte der im Inneren des Turmes gefundene, mit Ziegelbrocken durchsetzte Estrichschicht dar. Außen war der Turm mit einem außergewöhnlich ornamentierten Gesims versehen.

Auch die 23 m südlich des Steinturms befindliche Holzturmstelle hatte durch neuzeitliche Baumaßnahmen einigen Schaden genommen. Der südöstliche Teil des Turmes war durch die Anlage eines Entwässerungsgrabens bereits völlig zerstört. Das Trockenmauerfundament des Holzturms hatte einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 5,10 m. Die Mauerstärke betrug 1,00 m und war mit vermutlich nur zwei Balkenschlitzen auf jeder Seite versehen. Der Turm war von einem rund 14 m durchmessenden und 1,75 m tiefen Graben umgeben.

Die Limespalisade verlief in einem Abstand von rund 30 m östlich der beiden Türme.

Wp 10/29: "Im unteren Seeschlag"

Erkennbare Turmstelle[Anm. 6], die erstmals 1880 von Gustav Dieffenbach[Anm. 7] und Robert Schäfer[Anm. 8] im Auftrag des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine und genauer in den Jahren 1895 und 1896 von Anthes und Soldan für die Reichs-Limes-Kommission untersucht wurde. Die Turmstelle besteht aus einem Holz- und einem Steinturm.

Der Steinturm besaß einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 5,85 m. Das aufgehende Mauerwerk war zur Zeit der Untersuchungen noch bis zu einer Höhe von zehn Steinschichten erhalten, die Mauerstärke betrug 98 cm im Sockel- und im Fundamentbereich sowie 90 cm im Aufgehenden. Zwei Bauinschriften[4] belegen die Errichtung des Steinturms im Jahre 145 durch eine Abteilung der Brittones Triputienses.

Die Trockenmauerfundamente des Holzturms waren im Vergleich zu anderen Türmen dieser Limesstrecke sorgfältiger ausgeführt. Die Mauerstärke betrug an drei Seiten rund einen Meter, an der Westseite jedoch 1,50 m. Die üblichen drei Balkenschlitze waren an der Westseite nicht festzustellen. Dies und die ungewöhnliche Mächtigkeit der Mauer deuten auf Verstärkung dieser Seite in einer späteren Bauphase (möglicherweise im Zusammenhang mit Ausbesserungsarbeiten) hin. Der wohl ursprünglich annähernd quadratische Turm erhielt dadurch eine rechteckige Form mit den Seitenlängen 5,10 m mal 5,40 m.

Bei einer Nachuntersuchung im Jahre 1896 sprachen einige Befunde für die mögliche Umzäunung der gesamten Anlage mit einer Palisade. Da diese Befunde jedoch nicht ausreichend dokumentiert worden sind, kann ihre Interpretation aber nicht als gänzlich gesichert gelten. Die Limespalisade mit dem an dieser Stelle etwa 4,50 m breiten Limesbegleitweg passierte die Turmstelle etwa 32 m östlich des Holz- bzw. 28 m östlich des Steinturms.

Wp 10/30: "In den Vogelbaumhecken"

Konservierte und rekonstruierte Turmstelle[Anm. 9] eines Stein- und eines Holzturms nebst rekonstruierter Limespalisade. Der Steinturm wurde von Friedrich Kofler[Anm. 10] während der Ausgrabungen des Kastells Hesselbach, der Holzturm von Anthes 1895 untersucht.

Der Steinturm besaß einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 4,80 m. Der sich deutlich im Gelände abzeichnende Holzturmhügel trug ein Trockenmauerfundament mit ebenfalls quadratischem Grundriss, dessen Seitenlänge 5,25 m und dessen Mauerstärke 65 cm betrug. Im Inneren war das Turmfundament durch eine weitere, 90 cm starke Trockenmauer in zwei ungleich große Räume geteilt. Zudem war die Westmauer in dem größeren, südlichen Raum auf eine Breite von 1,20 m verstärkt worden. Der Turm war von einem 20 m durchmessenden Ringgraben umgeben.

Die Limespalisade passierte den Holzturm in 30 m östlicher Entfernung. Im Abstand von 8 m bis 10 m war ihr der Limesbegleitweg vorgelagert, dessen Breite an dieser Stelle mit den ungewöhnlichen Maßen von 7,50 m und 9,00 m festgestellt wurde. Die Palisade selbst, deren Spuren an dieser Stelle zum ersten Mal am gesamten Odenwaldlimes beobachtet worden sind, ist im Bereich des Wp 10/30 besonders aufmerksam untersucht worden. Sie bestand aus 25 m bis 30 m dicken Stämmen, die in einem 1,40 m eingetieften Graben mittels feuchter, gestampfter Erde unter Zuhilfenahme von Keilsteinen befestigt worden sind.

Die Turmstelle wurde 1979 vom Rotary Club Erbach-Michelstadt[Anm. 11] erneut freigelegt und gesäubert. Anschließend wurden in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen[Anm. 12] das aufgehende Mauerwerk des Steinturms und die Fundamentmauer des Holzturms konserviert und teilweise wieder aufgemauert. Des Weiteren wurde ein Stück der Limespalisade rekonstruiert. Durch die so zur Geltung gebrachte Vollständigkeit des Ensembles zählt diese Anlage zu den am Besten erhaltenen des Odenwaldlimes.[5][6]

Wp 10/31: "Im Saufeld"

Aufgrund der durchschnittlichen Entfernung zwischen Limeswachtürmen und der topographischen Gegebenheiten vermutete Turmstelle[Anm. 13], die jedoch nicht archäologisch nachgewiesen werden konnte[Anm. 14]. Dietwulf Baatz fand auf dieser Flur 1966 bearbeitete Sandsteinbruchstücke, die in Lesesteinhaufen entlang einer Flurgrenze lagen. Dieser Bereich lag rund 100 m südlich der von der RLK vermuteten Stelle.[7]

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Belege und Anmerkungen

Belege

[ 1]

[ 2]

[ 3]

[ 4] ''IM(peratori) CAE(sari) ANT(onini) AVG(usto) / BR(i)TT/(ones) TR(i)PVTIENSES'' und ''(Imperatore A)N/(toni)NO / (IIII C)O(n)S(ule)''.

[ 5]

[ 6]

[ 7]

Anmerkungen

[Anm.  1] Wp 10/26 etwa bei NS=49/37/41 EW=9/4/52 

[Anm.  2] Eduard Anthes = Deutscher Prähistoriker, * 5. Juni 1859 in Brensbach; † 7. Februar 1922 in Darmstadt

[Anm.  3] Wp 10/27 etwa bei NS=49/37/9 EW=9/4/47

[Anm.  4] Wilhelm Soldan = deutscher Lehrer, Ministerialbeamter, Archäologe und Denkmalschützer. Mitglied der Reichs-Limes-Kommission, * 7. Mai 1842 in Burkhards; † 2. Juli 1905 in Darmstadt

[Anm.  5] Wp 10/28 etwa bei NS=49/36/42 EW=9/4/48

[Anm.  6] Wp 10/28 auf der privaten Limesprojektseite von Claus te Vehne.

[Anm.  7]

[Anm.  8]

[Anm.  9]

[Anm. 10]

[Anm. 11]

[Anm. 12]

[Anm. 13]

[Anm. 14]